Inspiration:

Eine Dienstreise nach Mecklenburg Vorpommern und eine Hommage an Dirk Bach, dem ich das „Jungelcamp“ verzeihe…

„Elvis“

Ich bin auf der Fahrt Richtung Meer, manchmal verschlägt es mich tatsächlich auch dahin, wenn es mein Beruf von mir verlangt. Ostsee, kurz vor Usedom, das hört sich doch gut an. Die Fahrt beschert mir 9 Stunden zähes Vorankommen bei scheiß Wetter, es regnet junge Hunde.

Ah, da haben wir es ja wieder, unser Lieblingsthema, das Wetter. Darüber könnte ich stundenlang schreiben. Vor allem nach diesem merkwürdigen Sommer, dieser Ausgeburt des von uns Menschen verursachten Klimawandels, so die Meinung der zahlreichen Möchtegern-Umweltaktivisten an Bushaltestellen, Bürofluren oder in Internetforen, den Klagemauern unserer verlogenen Gesellschaft.

Unsinn, das glaube ich nicht! Ich bin davon überzeugt, diese unberechenbaren Wetterkapriolen sind gesteuerte Rache-Attacken Jörg Kachelmanns, jenem von der Öffentlichkeit verstoßenen Isobaren-Gurus, der seinerzeit als mittelloser Penner unter einer Brücke die geniale Idee hatte, den Leuten täglich kurz vor der Tagesschau zu verklickern, wie denn das Wetter heute gewesen ist und wie es möglicherweise morgen sein könnte, ohne irgendeine blasse Ahnung davon zu haben. Damit machte der Kerl mit seinem Team angetrunkener Meteorologen Millionen, ohne es auch nur für nötig zu empfinden, sich mit der Kohle neu einzukleiden, um uns stattdessen als allabendlich unrasierte Vogelscheuche zu bequatschen. So wie heute seine Kollegin und Nachfolgerin Claudia Kleinert, die allerdings deutlich besser bekleidet das nun vorrangig männliche Fernsehpublikum systematisch lasziv in die Irre führt, und dafür auch ein granaten Gehalt bekommt.

Verdammt, ich will nicht wissen, wie das Wetter heute war, ich will wissen, ob ich morgen `ne Jacke brauche oder nicht! Gerade jetzt in dieser Zeit der sogenannten Übergangsjacken, also derer, die man nirgendwo zu kaufen bekommt, weil Kaufhäuser ja nur Sommer oder Winter kennen und ohnehin nicht getragen werden, weil sie grundsätzlich entweder zu dick oder zu dünn sind. Die nerven einfach nur tierisch. Insofern kann ich das nicht existierende Angebot solcher Jacken gut nachvollziehen. Sie machen einfach keinen Sinn, obwohl irgendwie alle darüber reden, und das ganzjährig.

Zu Recht ihr Lieben, es ist die Zeit des Übergangs. Zieht euch warm an!

Sei es drum, angesichts der noch vor mir liegenden 830 km bei Stau und Sturzregen sinkt meine Laune auf den Nullpunkt. Schreibe meiner Kollegin eine SMS in der Hoffnung auf eine aufmunternde Antwort, erhalte jedoch nur eine knappe Ansage, dass ihre Laune unterhalb der Nulllinie läge, weil gerade ein Trojaner auf ihrem Rechner versuche, die Firmenkonten zu plündern. Ach ja, es ist Montag, sage ich mir, der ganz normale Wahnsinn am Anfang einer Woche. Den gilt es wie immer irgendwie über die Bühne zu bekommen und ich sehe mich jetzt meiner Kollegin gegenüber in einer strategisch besseren Ausgangssituation angesichts meiner Hinreise, mehr muss ich heute nicht tun.

Schon gar nicht verzweifelt nach alten Datensicherungen suchen und befürchten müssen, dass alle Daten der letzten anderthalb Jahren über den Jordan sind, so lange hat sie wohlmöglich keine Sicherung mehr gemacht. Ich übrigens auch nicht, also schreibe ich mir via IPhone eine Mail mit den Betreff „DASI !!!!!!!“ und checke bei der Gelegenheit mittels einer meiner drei Wetter-Apps, wie denn das Wetter in Jerusalem ist. Da regnet es auch.

Gegen 18:30 Uhr verlasse ich die Autobahn in Richtung Bömitz, einem menschenverlassenen 50-Seelendorf unweit von Anklam. Dort habe ich mir mein Hotel gebucht, der Name „Rittergut Bömitz“ hat mir irgendwie gefallen. Letzteres liegt derart abgelegen, dass es einem unheimlich wird. Wenn ich jetzt auf dieser unbeleuchteten kilometerlangen Kopfsteinpflaster-Straße mit Achsenbruch liegenbleibe, hab ich echt ein Problem. Handyempfang gibt’s hier nicht. Doch alles geht gut, und um Punkt sieben bin ich an meinem Ziel.

Das Hotel ist ein für die Gegend typisches altes Landadel-Gutshaus, gelegen in einem wunderbaren und von hohen Steinmauern umringten Park. Alles ist hell erleuchtet und das mondän wirkende große Haupthaus beeindruckt mich zu tiefst. Damit hätte ich in dieser gottverlassenen Gegend nicht gerechnet. Auf dem Parkplatz finde ich glücklicher Weise noch eine Lücke zwischen einem gigantischen schwarzen Dodge-Pick Up und einem alten Wohnmobil, beklebt mit einem großen Jim Morrison-Konterfei und der Aufschrift „Indians scattered on dawn’s highway“. Überhaupt, der ganze Vorplatz ist voller Luxusschlitten, Oldtimern und überlangen Tour-Bussen. Hinter den Parkplatz befinden sich die zu einem Ballsaal umgebauten alten Pferdestallungen, aus dem laute Musik erschallt. Ich wage einen Blick durch eines der zahlreichen kleinen Fenster und erkenne die Silhouette eines Amy Winehouse-Doubles, die sich stimmlich vom Original in keinster Weise zu verstecken braucht. Sensationell! Der Saal tobt, lacht, tanzt, ist rauchverhangen. Die Türen sind verschlossen und verriegelt, offensichtlich erwünscht diese geschlossene Gesellschaft keinerlei ungebetene Gäste.

Ich kann es kaum glauben und frage verwundert an der Rezeption im Hauptgebäude, was denn bitte hier los sei. Die Dame hinter dem Tresen schaut mich verwundert an, fragt mich nach meinem Namen und sucht diesen vergeblich auf einer Liste mit schätzungsweise hundert Einträgen, offensichtlich die Teilnehmerliste jener Feiergesellschaft im Ballsaal. Ich halte ihr mein Passbook-HRS Ticket unter die Nase und sie nickt erleichtert. „Ach Sie sind das, der Hotelgast. Da hatten sie aber Glück…das letzte Zimmer…“ Seit wann arbeitet denn Romy Schneider an einer Hotelrezeption? Frappierend, diese Ähnlichkeit, mir wird’s warm ums Herz! Aber nur kurz, denn als ich mich umdrehe, erkenne ich Kurt Cobain, der mir grinsend einen gönnerhaften Blick zuwirft und die Lobby in Richtung Stallungen verlässt. Der war wohl kurz mal auf dem Zimmer. Kleinlaut frag ich Frau Schneider, was es denn zu feiern gibt. „Ein neues Mitglied im Kreise der Aussteiger, derer, die ihr für tot haltet.“

Ich brauche Urlaub, dringend! Gehe auf mein Zimmer, meines heißt „Balkonstube“, die wunderbaren Suiten haben keine Nummern. Mir gegenüber liegt eine namens „Beau-Rivage“.

Ich wusste es: Barschel lebt!

Mein Abendessen wird mir im Restaurant serviert, ich bin völlig alleine. Auch mein Frühstück verbringe ich in dieser herrlichen Ruhe. Ich habe gut geschlafen, fühle mich erholt. Auf dem Parkplatz steht nur noch mein Auto, Romy ist weg. Eine junge Frau bringt mir den Kaffee und sie gleicht keiner Unsterblichen, ich bin beruhigt. War ganz schön kalt draußen, als ich zuvor meinen Koffer ins Auto bringe, mach ich immer, bevor ich zum Frühstück gehe.

Denke an Übergangsjacken. Im Feuilleton des Greifswalder Tageblatts ist ein hölzerner Grabstein abgebildet, gestern wurde Dirk Bach beerdigt. Irgendwie wird er mir fehlen. Schaue verträumt in die romantische Parkanlage und entdecke den schwarzen Ami-Pick Up. Mein Herz schlägt bis zum Hals.

„Summer is Coming“.

Es ist der 16. Oktober 2012.“ Wer´s glaubt, wird selig…“ antworte ich dem alten Mann in der Lobby in seiner speckigen weißen Lederjacke und der schmuddeligen Schlaghose mit Glitzerborde, der mir verschmitzt zublinzelt und sich dann seiner Wetter-App zuwendet. „30 degrees in Tennessee…“

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